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Eine Ode an die Angst!

Es gibt kaum ein Gefühl, welches so einen schlechten Ruf hat, wie die Angst. Gerade in der heutigen Zeit, in der wir alle souverän, selbstbestimmt, erfolgreich, mutig und selbstbewusst sein wollen, hat die Angst keinen Platz und wir weisen sie weit von uns. Ich habe doch keine Angst! Zumindest will sie sich im Außen kaum einer anmerken lassen, auch wenn wir sie von Zeit zu Zeit alle erfahren und sie von Kindesbeinen an, mehr oder weniger, alle in unterschiedlichsten Situationen kennengelernt haben. Oft werden Menschen, die ihre Angst zeigen und sich ängstlich verhalten belächelt oder als Angsthase, Schwächling, Angstpeter, Hosenscheißer oder Feigling beschimpft und somit wird Angst haben und zeigen als „Schwäche“ gesehen. Und wer schwach ist, verliert in der „Ellenbogen-Gesellschaft“ einer Macht-Pyramide, also will sie keiner haben. Dabei ist die Angst ein elementares Primärgefühl, welches für uns sogar lebensnotwendig ist und dessen Dienste für uns oft gar nicht gesehen und wertgeschätzt werden.

 

 

Urangst

 

Wir alle haben eine uns angeborene Urangst, die in der Psychologie unterschiedlich beschrieben wird. Viele sehen die Angst vor dem Tod und vor dem Sterben als Urangst an. Laut dem Lexikon der Psychologie versteht man unter der Urangst, die Angst um die körperliche und seelische Gesundheit, sowie Existenzangst, um wirtschaftliches versorgt sein. Die Psychoanalytikerin Karen Horney sieht in der Urangst vielmehr das Gefühl der Einsamkeit und dem hilflosen ausgeliefert sein gegenüber einer feindseligen Welt. Sigmund Freud hingegen, sieht unsere Urangst eher bedingt durch die existenzielle Erfahrung der Geburt und der damit einhergehenden körperlichen Trennung von der Mutter. Der Tiefenpsychologe und Vertraute Freuds, Otto Rank, sah in der Urangst, wie Freud, ebenfalls die Geburtsangst, die aus seiner Sicht die Quelle des sogenannten „Angstaffektes“, ausgelöst durch einen inneren oder äußeren Trigger (Auslöser), darstellt. Der Angstforscher Borwin Bandelow charakterisiert die Urangst als seit Jahrhunderten vererbte Urangst vor dem Unbekannten. Demnach seien unsere Vorfahren, die „Angsthasen“ gewesen.

Ein Hoch auf die Angsthasen, aber Moment mal, war das nicht das, was wir nicht sein wollten? Ist Angst demnach sogar nützlich? Für Steinzeitmenschen war es durchaus sinnhaft, beispielsweise Angst vor unbekannten Stämmen und Tieren zu haben, wenn sie überleben wollten. Diese Urangst ist bis heute tief in unserem Gehirn in der Amygdala (Mandelkern) des limbischen Systems verankert und wird von Generation zu Generation weitervererbt, um uns vor „Totalausfällen“ zu schützen, so Bandelow.

 

 

Die Bedeutung unserer Ahnenreihe für unsere Angst

 

Wissenschaftler konnten in zahlreichen Studien nachweisen, dass Ängste von Generation zu Generation vererbbar sind und sich somit auf unsere DNA auswirken und sozusagen in ihr „codiert“ werden. Borwin Bandelow spricht von einem komplexen „angeborenen Angstsystem“. Wir tragen somit alle Traumata und Ängste unserer Ahnen in uns, weswegen die Auseinandersetzung und Versöhnung mit unserer Ahnenreihe elementar für unsere Weiterentwicklung ist. Unser individuelles Angstsystem wird im Laufe unserer Entwicklung langfristig, durch neu erworbene Ängste aufgrund negativer neuer Erfahrungen erweitert und bestehende Ängste werden langfristig wieder durch wiederholte positive Erfahrungen und bewusste Entscheidungen abgebaut. So verändern sich unsere Ängste mit uns und unseren sich stetig verändernden Lebensbedingungen im Laufe unserer Entwicklung. Alte unbrauchbar gewordene Ängste werden im Laufe der Zeit verlernt und neue Ängste durch neue Erfahrungen und veränderte Umweltbedingungen kommen hinzu.

 

Angst als Lebensretter?

 

Unser Angstsystem ist also offensichtlich ein intelligentes Schutzsystem, welches uns vor Gefahren beschützen will. Unsere Angst hilft uns dabei Gefahren zu erkennen und ist ähnlich wie der Schmerz eine Schutzfunktion unseres Körpers, die unser Überleben sichern soll. Unsere Angst warnt uns vor Gefahren, bringt uns in den Überlebensmodus und aktiviert unsere Überlebensinstinkte. Sie fokussiert unsere Sinne auf Gefahr, versetzt unseren ganzen Körper in Alarmbereitschaft und fordert uns auf, blitzschnell instinktiv zu handeln, um nicht weniger als unser Leben und das unserer Lieben, durch Kampf oder Flucht zu schützen. Somit stellt die Angst also ein unverzichtbarer Lebensretter und ein elementarer Bestandteil unseres Selbsterhaltungstriebs dar. Unsere Angst ist ein unverzichtbares Warnsystem, welches unseren Schutz- und Überlebensmechanismus in Gang setzt, unsere Sinne schärft, unsere Körperkraft aktiviert und uns blitzschnell entscheiden lässt, ob wir kämpfen oder fliehen, damit wir in Gefahrensituationen überleben.

 

 

Unsere Angst, ein Motor der Bewusstwerdung?

 

Unsere Angst erfüllt neben ihrer unverzichtbaren und elementaren Funktion, unser Überleben zu sichern, noch eine weitere Funktion.  Sie hilft uns dabei innezuhalten, bevor wir handeln und uns bewusst mit einem Thema auseinanderzusetzen, welches uns möglicherweise berechtigterweise Angst macht. Die Angst ermahnt uns dazu, bewusste Entscheidungen zu treffen und Risiken noch einmal abzuwägen. Sie hilft uns also dabei, prophylaktisch und vorausschauend zu fühlen und zu denken, bevor wir handeln und uns selbst und unserer Situation bewusst zu werden. Die Angst ist also auch eine Handlungsaufforderung, Situationen ernst zu nehmen und uns auf sie vorzubereiten, wie beispielsweise die Prüfungsangst oder Lampenfieber vor einem Auftritt. Die existenzielle Angst betrachtete der dänische Theologe Sören Kierkegaard als wesentlicher Bestandteil der Willensfreiheit und als notwendiges Wesensmerkmal des menschlichen Denkens. Laut Kierkegaard wird die Angst durch Glauben überwunden. Der Philosoph Martin Heidegger (1889-1976) sieht in der Angst eine wesentliche Befindlichkeit, die den Menschen durch das Thema Tod und Endlichkeit auf sein Dasein zurückwirft und mit sich selbst konfrontiert. Die vermeintliche Endlichkeit unseres irdischen Daseins führt uns zur Sinnfrage unseres Lebens und lässt uns über unsere Werte und Ziele sowie die Sinnhaftigkeit unseres Tuns nachdenken. Überdies helfen uns unsere Ängste dabei, uns bewusst zu werden, wo wir vielleicht noch in alten Traumata und ehemaligen Überforderungssituationen feststecken und wo wir unsere heute unbrauchbar und hinderlich gewordenen Ängste überwinden und über uns hinauswachsen dürfen. Somit ist die Angst in gewisser Weise auch ein unverzichtbarer Motor der Bewusstwerdung.

 

 

Die Dosis macht das Gift!

 

Wie auch bei allem Anderen im Leben gilt auch bei der Angst, die Dosis macht das Gift. Neben einer gesunden und hilfreichen Angst, leiden viele Menschen an einem zu viel an Angst, wie etwa bei Angststörungen, Panikattacken und anhaltenden Ängsten, welche Blockaden und Dauerstress erzeugen und Menschen eher am Leben und ihrer Weiterentwicklung hindern, als ihnen zu dienen. Gerade in Zeiten von Corona geht bei vielen panische Angst um. Durch immer neue Horrormeldungen, Hiobsbotschaften und gezielter Angstmacherei, werden wir in einem kollektiven Angsttaumel gehalten, dem gerade Menschen mit Angststörungen und unverarbeiteten Traumata nur schwer alleine standhalten können. In diesem Fall, gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, wie beispielsweise Hypnosetherapie, EFT, Verhaltenstherapie, Quantenheilung, EMDR oder Wingwaves und viele mehr, um die eigene Angstproblematik wieder auf ein gesundes und hilfreiches Maß zu regulieren.

 

 

Fazit:

 

Die Angst ist ein wesentlicher und unverzichtbarer Bestandteil unseres Gefühlslebens, der uns als Alarmsignal und Warnung dabei behilflich ist, Bedrohungen von Außen ernst zu nehmen und uns zu schützen. Außerdem hilft sie uns dabei, alte Wunden und Blockaden im Innen wahrzunehmen, die uns blockieren und die geheilt und aufgelöst werden wollen. Somit ist die Angst ein unentbehrliches Grundelement unseres Menschseins und unvermeidlich für unsere Entwicklung, um Lernprozesse und Adaptionsvorgänge in Gang zu setzen. Wenn unsre Angst allerdings unser Leben bestimmt und uns am Leben hindert, ist es an der Zeit sich seinen Ängsten zu stellen und gegebenenfalls fachliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen.

 

 

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